Brotausgabe in Pötzleinsdorf
Am 8. April 1945 sind die Russen in Währing eingetroffen, worauf die turbulente Zeit begann, mit viel Leiden für die Zivilbevölkerung. Unter allen Mängeln war es der an Brot, das uns am meisten fehlte. Erst nach 9 Tagen sprach es sich herum, dass am Mittwoch, dem 18. April 1945, in Pötzleinsdorf beim Bäcker Linsbichler in der Pötzleinsdorfer Straße 89 Brot ausgegeben werde.
In großer, freudiger Erwartung stellten sich mit mir viele Menschen zeitig früh vor dem Bäckerhaus an. Die Sonne kam wärmend hervor, die meisten Menschen gähnten – kein Wunder nach den vielen, auch nächtlichen, Störungen in dieser Zeit. Nach einer Zeit kam der Bäcker heraus und erklärte, ein russischer Soldat, betrunken, befinde sich noch in der Bäckerei und man müsse erst seinen Weggang abwarten. Also warteten wir weiter, hungrig und gähnend.
Schließlich kam der Soldat heraus, stieß wilde Laute aus, feuerte mit seinem Gewehr in die Luft und torkelte in das gegenüberliegende Haus. Bald darauf kam eine russische Militärstreife, die den Mann hervorholte, zu beruhigen versuchte und schließlich im Auto mitnahm.
Nun konnte die Brotausgabe beginnen. Der so lange entbehrte Brotduft war so wunderbar! Freilich konnten nur kleine Rationen zugeteilt werden, aber es gab doch wieder einmal Brot! Erst Mitte Mai 1945 wurde die Brotration auf 500 Gramm pro Woche erhöht.
Autor: Stefan Schättin
aus „Unser Währing, Vierteljahresschrift des Museumsvereins Währing“, 10. Jahrgang, 1975, 2. Heft, S.15
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