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„Drauß't in Sievering“  

Kamaldulenser in Sievering

 


„Drauß't in Sievering“, so beginnt ein altes Wienerlied, dessen Spuren wir folgen und der Weg führt uns in das alte Dorf Obersievering zum „Malerwinkel“. So wird die Stelle auch oft genannt, wo die Sieveringerstraße eng zu werden beginnt, dort gleich beim „Bacher“ Haus. Schon in einer alten Österreichischen  Kunsttopographie (XV, S 287 f.) steht zu lesen: “Der Kern des alten Dorfes Ober- Sievering wird durch eine sehr malerische Strassenenge gebildet, welche mit ihren weinbewachsenen, staffelförmig gegliederten Häuschen und dem über der gekrümten Strasse und der Berghöhe im Hintergrund erscheinenden Schlosse „Am Himmel“ zu den anmutigsten Bildern der äusseren Bezirke gehört“ .

Man weiß, dass der Sieveringer Steinbruch schon von den Römern  benutzt wurde und dass vermutlich so manche Grundmauern hier in dieser Gegend auf diese Zeit zurückzuführen sind. Entscheidenden Einfluss  auf den Ort aber hatten die ehemaligen Besitzer all dieser Liegenschaften, die Kamaldulenser.

Damals wurde gerade der Kampf um die „Katholische Sache“ geschlagen. Kaiser Ferdinand II gelang es 1620, den neuen Glauben, den Protestantismus, in seinem Reich zu besiegen. Es ist naheliegend, daß unter einem so eifrigen, religiösen Regenten Kirchenbauten und kirchliche Stiftungen zahlreich entstanden.

So kamen unter diesem Herrscher auch die Kamaldulenser nach Wien. Der vom Hl. Romuald 1018 gestiftete Orden trägt den Namen nach dem Ort der ersten Gründung, dem Hochtal Camaldoli im Toskanischen. Ferdinand II schenkte ihnen 1628 den Schweinsberg (Kahlenberg), zu dem auch der ganzen Liegenschaften in Sievering gehörten, zur Errichtung einer Eremitage.

1636 wurde die Stiftung zum Priorat erhoben. Einige Jahre später tauchte in Dokumenten ein Meierhof dieses Ordens auf, dessen Hauptgebäude aber schon aus der Mitte des 16 Jahrhunderts stammen dürfte. Auf der mächtigen Toreinfahrt des Hofes, Mitte des 18. Jh. erbaut, prangt noch heute das Wappen der ehemaligen Grundherrschaft, der Kamaldulenser: Es zeigt drei Berge, welche die drei Klostergründungen, in Italien, Böhmen und am Kahlenberge symbolisieren und darüber ein Kreuz.

Der Bau selbst besteht aus drei zusammenhängenden Trakt Teilen, einem L-förmigen alten Trakt, der sich auf der der Straße abgewandten Seite befindet. Der einstige Eingang, heute ein kleines vergittertes Fenster in Erdgeschoßzone, deutet darauf hin, dass in früheren Jahrhunderten das Straßenniveau wesentlich tiefer als heute lag. Einst soll laut Überlieferungen der Erbsenbach in diesem Abschnitt der Dorfstraße mittels einer Furt zu queren gewesen sein.

Der jüngere Quertrakt, der den Hof gegen Norden abschließt, wurde früher als Stallung benutzt. Mitte des 19. Jh. erfolgte die Aufstockung auf die heutige Bauhöhe. Im Seitentrakt befand sich früher, ab 1766 die Hauskapelle.

Richtung Norden finden wir das Presshaus mit der ältesten und größten Weinpresse der Umgebung (die Weinpresse von Hr. Granninger aus dem Jahre 1618 wurde beim Umbau 2009 zersägt und entsorgt). An der Außenmauer befand sich eine ornamentale Malerei aus dem 18. Jh., eine Sonnenuhr, die leider nicht erhalten ist. Im Inneren des Seitentraktes sind teilweise, jedoch schlecht erhaltene Fresken zu sehen.

Der gesamte Bau ist unterkellert und zeugt vom bedeutenden Ausmaß des Weinbaus unter der Grundherrschaft der Kamaldulenser zwischen 1628 und 1782, dem Jahr, als Joseph II auch dieses Kloster auflöste.

Dieses Kloster erstreckte sich aber auch über den Bach bis in die Agnesgasse. Auf der Nr. 2 steht ein altes Gebäude, das an einen Spitalbau erinnert. Im 2. Stock sind die Zimmerhöhe nur 2 m, was auf so eine Einrichtung schließen läßt. Diese Mutmaßungen habe ich von Frau Haslinger im Jahre 2010 erfahren. Ebenso, daß das Gebäude Agnesgasse 2 der ehemalige Landwirtschaftshof des Klosters gewesen sein soll. Die Vorbesitzerin (heute wohnt Hr. Köchert Junior drinnen), Frau Reisinger, hat dort noch Ziegen, Hendln und andere Haustiere gehalten.

Nach späteren Besitzern wurde das Kloster  dann als „Wöginger“ und schließlich als „Bacher“ Hof bezeichnet. Ende der Letzten Jahrhundertwende hat der “Taschler“ hat hier angefangen und diesem Heurigen wieder einen urigen Stempel aufgedrückt. Er übersiedelte alsbald ins „Dörfl“, wo er mit Leib und Seele Kahlenberger Winzer geworden ist. Sein Herz schlägt aber immer noch für Ober Sievering, dort wo er angefangen hat.

Im Eck des sogenannten Malerwinkels bei der Brücke auf des Sieveringer Straße 229 befand sich der März, der auf Grund seiner Lage „Brückl März“ genannt wurde. Weder der März, der Granninger und der Nikisch haben die ersten 10 Jahre des neuen Jahrtausends überlebt.

An schönen Sommer- und Herbsttagen gibt es unter alten Nuss- und Apfelbäumen noch einen gemütlichen, einfachen Heurigen. In dem naturbelassenen Ambiente kann man träumen von den Zeiten, da Schubert mit fröhlichem Gefolge hier heraus in die Vorstadt kam Auf Bildern Waldmüllers festgehalten, sieht man einige fröhliche Gesellschaften, Mädchen in dirndlartiger Kleidung, wohl Vorläufer des auch heute noch manchmal zu sehenden hübschen, einfachen Dirndls, welches für diese Gegend typisch war.

Der „Detter“ auf der Agnesgasse 5 hat auch schon zugesperrt. Die Frau Haslinger in der Agnesgasse3 hat alle überlebt. Anfangs war hier eine Frau Ingrisch beheimatet. Sie führte dort einen kleinen Bauernhof. Der Hr. Schreier hat dort nach dem 1. Weltkrieg mit einer Kinderpullovererzeugung (im heute noch bestehenden Quertrakt) angefangen. Er hat auch das heutige Winzerhaus um einen Stock aufgestockt. Der Vater von Frau Hasliger erwarb das Grundstück schon im Jahre 1933 (Hr. Schreier ist nach London ausgewandert).

Wenn man auf der Dachterasse des Heurigen Haslinger steht, blickt man genau auf das „Spital“, das „Landwirtschaftsgebäude“ in der

Agnesgasse und auf den über der Straße liegenden „Kamaldulenser Hof“.

Villeicht wird diese Aussicht einmal „Kamaldulenserblick“ heißen,

 

wünschtich

ihr

Wolfgang E. Schulz

im Juli 2010

 

Ausgegraben und „runderneuert“