Das Haus Rothschild
ist wieder vereint
Um die Rothschilds ranken sich viele Sagen und Verschwörungs-theorien. Es sind aber auch Insektenarten nach ihnen benannt.
Anfang April fühlte sich das Haus Rothschild zu einem Schritt bewogen, den es äußerst selten setzt: Es wandte sich an die Öffentlichkeit. Der Grund war auch ein epochaler für die 250 Jahre alte Bankendynastie. In der Pariser Holding Paris Orléans werden die Finanzaktivitäten des britischen und französischen Arms der Familie wiedervereint. Seit dem 19. Jahrhundert waren diese beiden Zweige getrennt. David de Rothschild kontrolliert somit die gesamte Rothschild-Gruppe.
Rund 3000 Mitarbeiter in etwa 40 Ländern zählt diese offiziell und agiert als Berater bei Konzernfusionen, Übernahmen oder Börsegängen. Oft taucht der Name Rothschild gar nicht auf. Wie etwa bei den aktuellen Verhandlungen rund um die insolvente Schlecker-Gruppe in Deutschland. Dieses Agieren im Verborgenen ist ein Grund, warum den Rothschilds seit jeher mit Misstrauen und Argwohn begegnet wird. Vieles, was über die Rothschilds kolportiert wird, ist kaum belegbar. Etwa die Geschichte von Nathan Rothschild. Er soll nach der Schlacht von Waterloo in London das Gerücht in die Welt gesetzt haben, dass Napoleon gewonnen habe. In Panik wurden britische Staatspapiere auf den Markt geworfen, verloren binnen Stunden massiv an Wert. Nathan ließ die billigen Papiere von seinen Gefolgsleuten aufkaufen. Denn er wusste, dass die Schlacht gewonnen war.
Der erste jüdische Lord
Wie gesagt: Es ist eine der vielen Episoden, die sich um das Haus Rothschild ranken. Belegt scheint, dass Nathan durch Staatspapiere tatsächlich zu unermesslichem Reichtum gelangt ist. Er war damals wohl der reichste Mann der westlichen Welt. Und obwohl das Haus Rothschild während des 19. Jahrhunderts den britischen Staat massiv finanziell unterstützte, etwa den Kauf des Suez-Kanals finanzierte, weigerte sich Königin Victoria jahrzehntelang, einen Juden zu adeln. 1885 war es dann so weit. Nathaniel Rothschild wurde der erste jüdische Lord und zog ins Oberhaus ein.
Der Erfolg der Rothschilds basierte auf ihrer länderübergreifenden Vernetzung. Der Gründer der Dynastie, Mayer Amschel, der im Frankfurter Judenviertel im Haus mit dem „rothen Schild“ wohnte, schickte seine Söhne in die wichtigsten Handelsstädte der Zeit, um dort Banken zu eröffnen. Neben Frankfurt und London etablierte sich die Familie auch in Wien, Neapel und Paris.
Und Mayer Amschel, der als Finanzier des hessischen Kurfürsten zu Wohlstand gelangte, schrieb auch die bis heute befolgten Grundregeln nieder. Eine lautet: Nur männliche Nachfolger können in die Bankgeschäfte einsteigen. Das hat weniger mit Frauenfeindlichkeit zu tun als mit der Angst vor allzu eifrigen Schwiegersöhnen. Durch dieses Prinzip blieben die Rothschilds ein in sich geschlossener Kreis. Umso mehr, als es im 19. Jahrhundert üblich war, innerhalb der Familie zu heiraten. Das stärkte nicht nur den Zusammenhalt, sondern ließ auch die Mitgift in den eigenen Reihen zirkulieren. Anfang des 20. Jahrhunderts endete mit dem Tod von Wilhelm Carl Rothschild mangels männlichen Nachfolgers das Stammhaus in Frankfurt. Die Rothschilds errichteten erst 1989 wieder eine Dependance in Deutschland. Nach Wien kehrten sie nie zurück.
Zwei Tage nach dem Anschluss Österreichs 1938 war Louis von Rothschild von der Gestapo verhaftet worden. 14 Monate saß er im Gefängnis. Für sein Leben musste er die Anteile an den Witkowitz-Stahlwerken in Tschechien hergeben. Ins Stadtpalais der Familie zog Adolf Eichmann ein. Es diente als „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“. In einem seiner seltenen Interviews gab der Bankier und Besitzer das berühmten Château Lafite, Eric de Rothschild, die Zahl der Familienmitglieder mit 130 an. Nur wenige sind im Bankgeschäft. Viele widmeten sich im Lauf der Jahre der Wissenschaft, den Künsten oder wie Edouard de Rothschild der Pferdezucht.
Mehr als 150 Insektenarten und eine Giraffe tragen heute den Namen ihrer Entdecker: Rothschild.
Autor: Gerhard Hofer
Gefunden in der Presse von Hrn. Wolfgang Schulz