Wiener Musiker in Döbling
Ludwig van Beethoven
Beethoven hat über 50 Wohnungen in Wien
benützt, und doch hatte er, das war seine Tragik, niemals ein Heim. Als höchst unbequemer Mieter sind die begründeten Anekdoten über die Szenen, die Beethoven seinen Vermietern machte, schließlich legende geworden. Überreich an Beethoven-Erinnerungen ist Döbling. War doch dieser Bezirk in der Biedermeierzeit einer der beliebtesten Sommerfrischen-Orte für die Wiener. Freilich, mit Ende des 19. Jahrhunderts wurde er immer mehr zu einem Stadtbezirk, zum Teil wenigstens. So hat es Ferdinand v. Saar in seinen herrlichen Wiener Elegien bedauernd geschrieben:
„Du freundliches Döbling . . .
Damals warst du ein Dorf mit stillen, sonnigen Gassen,
Wo sich der Wiener Quirlt wohlige Häuser gebaut . . .
Heute gehörst du zur Stadt und hast dich danach auch verändert;
Kaum zu erkennen mehr bist du dem nahenden Blick ..."
Der Krieg hat das Haus Silbergasse 4 zerstört, in dem Beethoven 1815 wohnte, ebenso das Haus Pyrkergasse 13, das durch den Aufenthalt Beethovens und Saars geweiht war. Ein wenig weiter, diese Pyrkergasse entlang, gelangen wir zum Haus Nr. 23, in dem durch viele Jahre jener Mann gewohnt hat, der jedem älteren Kammermusikfreund ungezählte festliche Abende bereitet hat, Arnold Rose, der berühmte Konzertmeister der Wiener Philharmoniker und Leiter des nach ihm benannten Quartetts. — Im Hause Döblinger Hauptstraße 92, das sich unverändert erhalten hat, arbeitete Beethoven an der „Eroica". — Jahrzehnte später starb im Nebenhaus (Nr. 94) der geniale österreichische Lustspieldichter.
Eduard von Bauernfeld, den zahllose freundschaftliche Fäden mit dem Wiener Musikleben, also auch mit Beethoven, besonders aber mit den Schubertianern verbinden. Unmittelbar benachbart erhebt sich inmitten des zauberhaften Wertheimsteinparks (am Ende der schönen Villenstraße „Hohe Warte") die Wertheimsteinvilla, durch viele Jahre ein berühmtes Zentrum des Wiener kulturellen Lebens. In nächster Nähe des anderen Endes der Hohen Warte, in Heiligenstadt, aber stehen drei Häuser benachbart, die ein Jahrzehnt von Beethovens Leben umspannen. Immer wieder zog es den Ruhesuchenden in diesen Teil Döblings, weil er sich von den damals berühmten Bädern Heilung oder wenigstens Linderung seines Gehörleidens erhoffte. Da ist das Haus Grinzinger Straße 64, in dem im Jänner 1808 Beethoven und Grillparzer wohnten. Man möge in den wundervollen „Erinnerungen an Beethoven" des großen Dichters nachlesen! Es wird uns hier bezeichnend von dem Zerwürfnis erzählt, das zwischen Grillparzers Mutter und Beethoven entstand, als die erstere einmal versuchte, den überaus empfindlichen Komponisten durch das Gangfenster beim Klavierspiel zu belauschen. Beethoven hat von diesem Augenblick an in diesem kleinen Haus keine Taste mehr berührt. Einige Jahre früher wohnte Beethoven in dem Hause Probusgasse 6, das seinen altertümlichen Reiz gottlob bewahrt hat und in dem 1802 jenes erschütternde „Heiligenstädter Testament" geschrieben wurde, das die ergreifendste Manifestation des leidenden und doch wieder das Leid überwindenden Meisters wurde.
Dem Schreiber dieser Zeilen ist vor Jahren bei einer Führung etwas ganz Rührendes begegnet: Ein 90jähriges Mutterl, gleich ihren Eltern in dem Hause bzw. in s
einer nächsten Umgebung ansässig, wußte sich aus den Erzählungen ihrer Eltern noch genau an Einzelheiten im Leben Beethovens zu entsinnen.
Wenige Schritte die Probusgasse hinunter kommen wir auf den unendlich stimmungsvollen alten Dorfplatz von Heiligenstadt mit der uralten Jakobskirche. (Man versäume nicht die Ausgrabungen unter dieser Kirche zu besichtigen, die in die römische Zeit zurückführen und die Pfarrer Kramert mit großer Hingabe angeregt hat und betreut. Vielfach begründet besteht auch die Annahme, daß sich hier die Grabstätte des hl. Severin befunden habe.) Dort am Pfarrplatz 2 steht auch jenes, unzählige Male abgebildete und besprochene uralte Weinhauerhaus, das im Jahre 1817 Beethoven Wohnung bot. (Auf diesem idyllischen Platz finden seit Jahren, ebenfalls von Pfarrer Kramert betreut, jeden Sommer Freiluft-Symphoniekonzerte statt!) Und ein wenig weiter kommen wir zu dem Hause Kahlenberger Straße 26, das ebenfalls den Sommerfrischler Beethoven in seinen Mauern beherbergte.
Friedrich von Flotow
Für ihn beginnt mit seiner Übersiedlung nach Wien die glücklichst
e Zeit seines Lebens — wie er es selbst ausgesprochen hat. Er bezieht ein Landhaus in Sievering, Agnesgasse 9, und freut sich der Triumphe seines „Stradella" (in dem übrigens Jetty Treffz, die spätere Gattin von Johann Strauß, die weibliche Hauptrolle gesungen hat) und der sensationellen Uraufführung der „Martha" 1847 im Kärntnertortheater („Stradella" war im Theater an der Wien aufgeführt worden). Zu seinem 70. Geburtstag ist er Ehrengast der Hofoper zur 500. Aufführung seiner „Martha"!
Franz Schreker
Ganz in Vergessenheit gesunken — wahrlich unverdient — ist auch Franz Schreker, wenngleich sich da und dort leise Zeichen einer Wiederbelebung zeigen. Schreker, dessen Opern „Der ferne Klang" und „Der Schatzgräber" wieder belebt werden sollten, wohnte lange Jahre in Döbling, Billrothgasse 23, Kreindlgasse Nr. 1a, Friedlgasse 40 und von 1913 bis 1920 im V. Bezirk, in der Franzensgasse 12 (Ecke Schönbrunner Straße).
Hugo Wolf
Die glücklichsten Wiener Jahre aber verbrachte er im stilvollen und kultivierten Heim der Familie Köchert in der Billrothstraße 68. Köchert und Wolf hatten sich im Wiener Wagnerverein kennengelernt, dem beide als begeisterte Wagneranhänger angehörten. Jahre hindurch hat Wolf in diesem gastlichen Hause zwei Räume bewohnt, die noch heute irgendwie den Hauch seines Geistes tragen, und der schöne kleine Gartensaal und vollends der innig-liebliche Garten haben dem naturhungrigen Wolf wunderbare Möglichkeiten für sein Schaffen geboten.
Aus „Wiener Musikergedenkstätten“ von Hugo Ellenberger, Österreichischer Bundesverlag Wien – München, Wien 1960